Unser Aufenthalt in eSwatini April/Mai 2019

Unser Aufenthalt in eSwatini April/Mai 2019

Hamburg, im Mai 2019

 

Liebe Freunde und Unterstützer der Möwenweg-Stiftung!

 

Erst vor wenigen Tagen sind wir aus eSwatini zurückgekehrt, darum möchten wir Sie heute wieder einmal ganz aktuell über unser Projekt Litsemba informieren.

Besonders beeindruckt hat uns unsere neue Bildungsverantwortliche Lizzy Dlamini, die die Ehrenamtlichen an unseren knapp 100 NCPs (zum großen Teil Frauen, die nicht einmal die Grundschule zu Ende besuchen konnten) „on the job“ schult in grundsätzlichen Fragen des Umgangs mit Kindern verschiedener Altersstufen, Entwicklungspsychologie und der Nutzung von Lernspielzeug. Da diese Frauen selbst ohne Spielzeug aufgewachsen sind, haben sie einen hohen Respekt davor, irgendetwas außer Papier und Buntstiften einzusetzen, müssen dazu ermutigt und ihnen muss erklärt werden, wie mit den neu angeschafften Materialien überhaupt gearbeitet werden kann. Wir haben Lizzy an verschiedene NCPs begleitet und waren beeindruckt von Ihrer Herzlichkeit, fachlichen Kompetenz und Fähigkeit, die Ehrenamtlichen zu begeistern.

Auch die Neuauflage der von uns gedruckten Kinderbücher, der einzigen(!) in der Landessprache siSwati, konnte von unserer Bildungsverantwortlichen an alle Kinder unsere zehn Vorschulbildungs-Pilot-NCPs verteilt werden, und wir freuen uns, dass bei einer zentralen Schulung sämtlicher „Teachers“ der NCPs noch in diesem Jahr auch das Thema Lesen und Vorlesen auf dem Programm stehen wird – für die Ehrenamtlichen, die in ihrer Kindheit keine Kinderbücher kannten, totales Neuland. Außerdem hat Lizzy Kontakt aufgenommen zum südafrikanischen Leseförderprojekt Nal`ibali, das 2015 für seine Arbeit den international bedeutendsten Preis auf dem Gebiet der Kinderliteratur bekommen hat, den Astrid Lindgren Memorial Award. (Die Laudatio in München durfte ich halten, falls Sie interessiert sind am Thema Kinderbücher in Afrika: https://www.kirsten-boie.de/kirsten-boie-reden-aufsaetze.php?sprache=de) Hier hoffen wir auf Unterstützung und Zusammenarbeit. Zudem gibt es Gespräche mit der Tageszeitung Times of Swaziland, um dort einmal monatlich eine Geschichte für Kinder auf siSwati zu veröffentlichen, und mit der Bücherei in Nhlangano zum Thema Reading Clubs an den NCPs. Auch auf diesem Gebiet tut sich also etwas.

Den Bereich der vorschulischen Arbeit werden wir unbedingt ausbauen müssen: Immer mehr Grundschulleiter verlangen, dass Kinder eine Preschool besucht haben müssen. Staatliche Vorschulkassen gibt es aber praktisch nicht, und wo es private Vorschulen gibt, fehlt den Familien das Geld für die Gebühren. Inzwischen werden unsere Litsemba-NCPs als Vorschul-Äquivalente anerkannt.

Eine Voraussetzung für den Besuch der Grundschule ist außerdem der Besitz einer Geburtsurkunde, die vielen Kindern fehlt. Unsere Mitarbeiter versuchen, sie für alle Kinder an den Litsemba-NCPs schnellstmöglich zu beschaffen: Dazu benötigen sie aber eine schriftliche Bestätigung der Eltern; bei Waisen ist das kaum zu regeln, bei anderen Kindern scheitert es häufig daran, dass die Eltern (oder der noch lebende Elternteil) in Südafrika arbeiten und nur Weihnachten zu Hause sind. Wenn es nicht gelingt, noch bis Ende dieses Jahres für über zweihundert der Litsemba-Kinder Geburtsurkunden zu beschaffen, werden sie im Januar 2020 nicht eingeschult werden können.

 

Wie absolut notwendig auch unser medizinischer Dienst Litsemba Medical Outreach ist, wurde uns beim Besuch des NCP New Nazareth wieder deutlich: Schon morgens um 9.00 warteten etwa hundert Menschen geduldig im einzigen großen Raum des Gebäudes auf unser medizinisches Team. Hier wurden die Kinder von unserer Krankenschwester Christine versorgt, die Erwachsenen im 4m² großen Lagerraum hinter verschlossener Tür zwischen Maismehlsäcken von Krankenpfleger Zweli. Bei schwereren Erkrankungen werden sie ans nächste Krankenhaus weiterverwiesen. Auch nachmittags gegen 16.00 waren noch ebenso viele Menschen am NCP. Sie kommen zu Fuß aus vielen Kilometern Entfernung. Wir werden diesen Dienst dringend ausbauen müssen.

Ein großes Problem bleibt die Wasserversorgung. Während die meisten Menschen im Projektgebiet ihr Wasser aus Oberflächengewässern (Flüssen, Bächen) entnehmen, was immer die Gefahr von Verunreinigungen birgt (Holz zum Abkochen des Wassers fehlt), haben unsere NCPs Wassertanks mit einer Kapazität von jeweils insgesamt 10.000 Litern, die nach den Starkregenfällen auch gut gefüllt hätten sein müssen. Wir beobachteten aber zufällig selbst einen Fall von Wasserdiebstahl – die Menschen kommen von weither, um sich in Eimern Wasser aus den Tanks zu holen. Natürlich sind auch sie bedürftig – wir werden aber ein System installieren müssen, das garantiert, dass das Wasser den Kindern zur Verfügung steht. Nur zwei Wochen nach dem Ende der Regenfälle waren die Tanks an vielen NCPs schon wieder leer.

Zu unserer großen Freude scheinen allmählich HIV-Testungen und medikamentöse Versorgung zu greifen: Es gibt immer weniger Vollwaisen oder Halbwaisen an den NCPs, dafür aber viele Kinder, für die die Mahlzeit am NCP die einzige des Tages ist. (Offiziell leben in Eswatini 63% der Bevölkerung unterhalb der offiziellen Armutsgrenze, in unserem Projektgebiet über 80%.) Inzwischen gibt es Anfragen von Chiefs anderer Chiefdoms, die sich um Unterstützung durch Litsemba bewerben.

Unser Aufenthalt wurde erschwert durch den Zustand der Straßen (dust roads): Nach längeren Starkregenfällen Anfang des Jahres hat er sich noch einmal massiv verschlechtert. Viele unserer NCPs (Kinderbetreuungshäuser) sind schon jetzt nur noch bei trockenem Wetter zu erreichen, und das auch nur mit starken Geländewagen in Schrittgeschwindigkeit. Bei oder nach Regenwetter hätten wir sie nur zu Fuß erreichen können.

Geradezu beschämend war, wie wir von Ehrenamtlichen und Dorfältesten an den NCPs aufgenommen wurden. Diese Menschen haben selbst kaum genug zu essen. Trotzdem wurden wir reich beschenkt: Am NCP Zenzile etwa wurden mir drei Kürbisse, ein Sack Süßkartoffeln und drei Bund etwa zwei Meter hohes Zuckerrohr für meine Familie übergeben . Am NCP New Nazareth hatten die Ehrenamtlichen extra für uns gekocht: Pap (Maisbrei), Süßkartoffelmus und Hühnchen – ein Luxus, den es für die Allermeisten dieser Menschen nur zu Weihnachten und zu besonderen Anlassen gibt. (Eine Ablehnung wäre eine Kränkung gewesen. Bei ihrem nächsten Besuch an diesen NCPs wird aber unsere Bildungsverantwortliche Bananen – ebenfalls ein Luxus! – für alle mitbringen.)

Sollten Sie – vielleicht auf einer Südafrika-Reise? – unsere NCPs besuchen wollen, so besteht dazu immer die Möglichkeit. Wir können Ihnen nicht anbieten, Sie herumzufahren (unsere wenigen Fahrzeuge sind nach einem komplizierten logistischen System ständig im Einsatz, unsere Mitarbeiter auch), wohl aber, im eigenen Fahrzeug eins unserer Teams zu begleiten oder sich selbstständig auf den Weg zu machen. Die GPS-Daten der NCPs könnten Sie bei uns erfragen. (Es gibt keine Wegweiser.)

Für Ihre Unterstützung möchten wir Ihnen wieder ganz herzlich danken! Ohne Sie würde es LITSEMBA nicht geben – ein Projekt, das für die betroffenen Dörfer, inzwischen längst nicht mehr nur für die mindestens 3000 Kinder, sondern auch für ihre Erwachsenen, einen unvorstellbaren Unterschied macht. Bitte helfen Sie auch weiterhin!

 

Herzliche Grüße oder, auf siSwati: Salani kahle!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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